Was ist Akupunktur?

 

Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung.

 

Ich kann damit großartige Heilerfolge erzielen, doch was es ist, was mit den Nadeln oder auch der Berührung mit einem Finger durch Akupressur letztendlich beeinflusst wird, weiß ich nicht.

 

Dabei gibt es doch so viele Erklärungsmodelle.

 

Akupunkturpunkte sind Energiezentren, die ihrerseits wiederum, von Ausnahmen abgesehen, unmittelbar auf Energiebahnen, den Meridianen liegen und durch die Behandlung werden Energie Störungen aufgelöst und ein Gleichgewicht wiederhergestellt.

 

Ist doch alles ganz einfach.

 

Wenn wir einfach so tun, als wüssten wir, was Energie ist, was Energiezentren sind und wie ein gesundes Gleichgewicht für das jeweilige Individuum überhaupt aussieht.

 

Doch genau an diesem Wissen fehlt es uns. Niemand weiß, was Energie eigentlich ist. Deshalb kann auch niemand wissen, was ein Energiezentrum ist, mal abgesehen davon, dass man sich bei diesem Begriff vorstellt, dass dort Energie konzentriert ist. Was wir schon dreimal nicht wissen, wie sieht ein gesundes Gleichgewicht für den Menschen aus, den wir gerade behandeln.

 

Gesundes Gleichgewicht bedeutet schließlich nicht, dass alle fünf gedachten Elemente zu jeweils einem Fünftel vorhanden sind. Sondern bezogen auf das Individuum in den Verhältnissen, die dieses Individuum zur Bewältigung seiner Aufgaben ebenso benötigt wie zu seiner persönlichen Weiterentwicklung. Es ist auch kein starres Verhältnis, sondern eher ein Fluss, also ebenso wie das Leben in einer ständigen Änderung.

 

So wäre es auch unsinnig, nach einer schweißtreibenden schweren Arbeit bei Hitze eine vollkommen ausgewogene Mahlzeit nach den fünf Elementen einzunehmen, wenn der Körper einen erhöhten Salzbedarf hat. Deshalb haben wir nach solchen Tätigkeiten oft einen ausgesprochenen Yap nach etwas Salzigem.

 

So geht es uns auch mit der so genannten Ganzheitlichkeit, die von immer mehr Therapeuten, Heilpraktikern und Ärzten für ihre Tätigkeit in Anspruch genommen wird und mittlerweile selbst für industrielle Erzeugnisse angeblich vorhanden sein soll.

Wir haben schließlich noch nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wie ein in sich abgeschlossener Organismus mit all seinen Wechselwirkungen überhaupt funktioniert, selbst wenn wir uns auf die materielle Funktionsweise beschränken würden. Erst recht verlieren wir jede Übersicht, wenn wir uns gewahr werden, dass jeder Organismus Teil eines größeren Ganzen ist und mit diesem größeren Ganzen ebenfalls in einer ständigen Wechselbeziehung steht. Wenn wir auch noch die Psyche und eventuell sogar das, was wir uns unter einer unsterblichen Seele vorstellen, mit einbeziehen wollen, wird es völlig unmöglich, auch nur im Ansatz von Ganzheitlichkeit zu reden.

 

Angesichts des Ganzen macht das gesamte Wissen der Natur- und Geisteswissenschaften prozentual vermutlich noch weniger aus als uns von uns selbst überhaupt bewusst ist, das sind im Schnitt nur 2-3 %. Und dabei reden wir von Ganzheitlichkeit, wenn ein Arzt, Zahnarzt oder Heilpraktiker auch nur versucht, das bisher bekannte Wissen über Zusammenhänge und Wechselwirkungen in seine Therapie einzubeziehen.

 

Wenn mindestens 97 % eines Organismus und seiner Wechselwirkungen unbekannt sind, wie kann man dann ganzheitlich sein?

 

Solange man nur mit dem Verstand versucht, ganzheitlich zu sein, das wird vielleicht aus dem vorerwähnten klar, ist es ein Anspruch, der nicht erfüllbar ist.

 

Ganzheitlich kann nur jemand sein, der mit dem Göttlichen, dem Ganzen selbst eins geworden ist. Das trifft nur auf wenige Persönlichkeiten in der gesamten Menschheitsgeschichte tatsächlich zu. Fast alle diese Persönlichkeiten wurden auch zu Religionsgründern, obwohl sie vermutlich keine Religion sondern Erkenntnis bei ihren Jüngern stiften wollten. Religion ist schließlich ebenso das Gegenteil von Erkenntnis wie der Versuch, etwas theoretisch zu erklären mit Begriffen, die selbst ein Rätsel sind, wie beispielsweise das Rätsel, was Energie überhaupt ist.

 

Ganzheitlich behandeln jedoch kann man prinzipiell lernen.

 

Wie das?

 

Wenn wir unser eigenes Ego, unseren Willen, etwas unbedingt erreichen zu wollen, einfach mal an der Garderobe abgeben, dann ist es prinzipiell möglich, sich durch das Ganze, das Göttliche, leiten zu lassen. Dann brauchen wir kein angelerntes Wissen über bereits bekannte Zusammenhänge und Wechselwirkungen, wir brauchen nicht zu wissen, wie eine Krankheit benannt wird, wir brauchen nicht den persönlichen Heilungsweg eines Patienten im Voraus zu kennen, die Existenz, die uns natürlich ebenso unbekannt ist wie die Energie, leitet unser Handeln. Wir könnten statt Existenz auch Gott sagen, ein weiteres Wort für etwas vollkommen unbekanntes, das wir mit einer Selbstverständlichkeit in den Mund nehmen, als wäre Gott unsere eigene Schöpfung.


Tatsächlich ist es das auch, völlig unabhängig davon, ob es Gott tatsächlich gibt oder nicht. Unsere Vorstellungen von Gott, auch und gerade die, die uns von den Religionen übermittelt werden, haben sehr wenig mit Gott und sehr viel mit unseren eigenen Vorstellungen zu tun und sind eigentlich nur Schöpfungen unserer eigenen Vorstellung.

Es soll also tatsächlich möglich sein, praktisch zum Werkzeug jener höheren Intelligenz, jenes höheren Selbst (diesen Begriff verwende ich hier nur, weil er bei Esoterikern so beliebt ist, nicht etwa, weil ich ihn gut finde), zum Werkzeug Gottes (sofern es Gott gibt) zu werden?

 

Ja!

 

Ich weiß nicht, was es ist, was während ich selbst behandele, meine Aura zum strahlenden Licht werden lässt, was mir die Klarheit gibt, dass im Augenblick nur dieser eine Punkt dran ist, den ich wahrnehme und was meine Patienten letztendlich den Weg zur Heilung finden lässt.

 

Ich bin von tiefer Dankbarkeit gegenüber diesem Unbekannten erfüllt, das in einer Akupunkturbehandlung ebenso wie bei der Anleitung meiner Schüler mir Sinne und Hände leitet. Ich kann es Gott nennen, doch eigentlich stehe ich dazu, dass ich nicht weiß, was es ist. Ebenso wenig wie ich weiß, ob es Gott überhaupt gibt und falls ja, was Gott eigentlich ist.

 

Es ist mir auf jeden Fall in einer gewissen Weise zugänglich, während ich behandle. Und so kann ich es auch meinen Schülern zugänglich machen. Nach und nach, Schritt für Schritt.